15 Jahre Reittherapie an Förderschulen: Auf dem Pferd wachsen Kinder über sich hinaus

Seit 15 Jahren ist die Reittherapie ein fester Bestandteil des Angebots der Förderschule an der Forellstraße (früher: Förderschule am Schwalbenweg) in Herne. Was als kleines Projekt begann, hat sich zu einer wertvollen und nachhaltigen Therapieform für Kinder mit Förderbedarf entwickelt. Im Gespräch mit Cordula Klinger-Bischof, Gründerin des Vereins Ruhrwerk (rechts), der die Reittherapie mit Hilfe privater Spenden ermöglicht, geben (von links) die Reittherapeutin Nadine Kaisereck, Schulleiter Gisbert Knierim und die Sonderpädagogin Nicole Rödding einen Einblick in die Arbeit mit den Kindern, die Herausforderungen moderner Förderschulen und die Momente, die die Reittherapie so besonders machen.

Ruhrwerk: Frau Kaisereck, die Reittherapie an der Förderschule an der Forellstraße feiert dieses Jahr ihr 15-jähriges Jubiläum. Was bedeutet diese langjährige Partnerschaft für Sie als Reittherapeutin und für die Kinder?
Nadine Kaisereck:15 Jahre sind eine lange Zeit. Es ist wunderbar zu sehen, wie die Reittherapie in all den Jahren gewachsen ist und wie viele Kinder davon profitiert haben. Für mich ist es eine Herzensangelegenheit, und für die Kinder fester Bestandteil ihres Schulalltags geworden, auf den sie sich freuen. Für die Kinder ist Reittherapie weit mehr als nur eine Unterrichtseinheit. Es ist ein Stück Freiheit, ein Moment der Leichtigkeit und oft auch ein großer Schritt in ihrer persönlichen Entwicklung. Unsere Pferde haben immer ein offenes Ohr. Selbst Kinder mit herausforderndem Verhalten erzählen ihnen ihre Sorgen oder singen ihnen ein Lied.

Ruhrwerk: Die Förderschule an der Forellstraße und der Verein Ruhrwerk arbeiten seit 2010 zusammen. Können Sie uns etwas über die Anfänge der Kooperation erzählen?
Gisbert Knierim: Ich erinnere mich noch gut, wie wir mit der Reittherapie begonnen haben. Anfangs war es für mich persönlich etwas herausfordernd, da ich ein wenig Angst vor Pferden hatte. Aber als ich sah, wie positiv die Kinder darauf reagierten, habe ich meine Angst überwunden und bin sogar selbst aufs Pferd gestiegen.

Ruhrwerk: Welche positiven Auswirkungen hat die Reittherapie auf die Kinder mit Förderbedarf, die an Ihrem Programm teilnehmen?

Nicole Rödding: Die Reittherapie ergänzt und stabilisiert unsere therapeutischen Maßnahmen auf einzigartige Weise. Die Kinder profitieren in vielerlei Hinsicht. Motorisch werden sie gefördert. Sie lernen, sich zu konzentrieren. Ihr Selbstbewusstsein wächst. Besonders wertvoll ist die emotionale Ebene. Der Kontakt zu den Pferden gibt ihnen ein Gefühl von Geborgenheit und stärkt ihr Selbstvertrauen. Wir haben viele Schülerinnen und Schüler mit Autismus-Spektrum-Störungen, denen die Therapie sehr guttut. Man merkt richtig, wie sie loslassen und entspannen können. Auf der Rückfahrt zur Schule sind die Kinder meistens sehr ruhig, beseelt und zufrieden, weil sie eine schöne Zeit hatten. Das ist immer toll.

Ruhrwerk: Frau Kaisereck, können Sie uns schildern, wie die Kinder auf die Reittherapie reagieren? Gibt es bestimmte Verhaltensweisen oder Reaktionen, die Ihnen besonders auffallen?
Nadine Kaisereck: Viele Kinder sind anfangs etwas unsicher. Ich erinnere mich an ein Kind, das ein Jahr lang nur zugeschaut hat. Das darf auch so sein, jedes Kind reagiert anders. Aber sobald die Kinder dann auf dem Pferd sitzen, entspannen sie sich und genießen die Bewegung. Sie bauen eine Verbindung zu den Tieren auf und überwinden ihre Angst.

Ruhrwerk: Hat sich die Zusammensetzung der Schülerschaft im Laufe der Jahre verändert?
Gisbert Knierim: Ja, die Schülerschaft hat sich verändert. Früher waren Kinder mit schwersten Mehrfachbehinderungen bei uns, auch sie haben das Reiten sehr genossen. Heute haben wir vermehrt Schülerinnen und Schüler mit emotional-sozialem Förderbedarf. Diese Kinder profitieren besonders davon, dass sie im Umgang mit den Pferden Beständigkeit und Geborgenheit erfahren.

Ruhrwerk: Frau Rödding, wie beurteilen Sie als Sonderpädagogin die Reittherapie? Welche Veränderungen beobachten Sie bei den Kindern, die daran teilnehmen?
Nicole Rödding: Wir sehen immer wieder, dass die Kinder nach dem Reiten ausgeglichener und aufmerksamer sind. Auch im Umgang mit anderen zeigen sie oft mehr Geduld, Empathie und Offenheit für weitere therapeutische Angebote. Die Reittherapie ist für uns deshalb ein wichtiger Baustein, um die Kinder ganzheitlich zu fördern.

Ruhrwerk: Welche Altersgruppen nehmen an der Reittherapie teil?
Nicole Rödding: Wir konzentrieren uns hauptsächlich auf die jüngeren Schülerinnen und Schüler, also die erste bis dritte Klasse, im Alter von sechs bis neun Jahren. Diese Kinder haben oft noch keine Erfahrungen mit solchen Angeboten und nehmen besonders viel daraus mit.

Ruhrwerk: Die Reittherapie ist ein Langzeitprojekt des Vereins Ruhrwerk und wird über Spender und Sponsoren privat finanziert. Wie wichtig ist diese Kontinuität für die Kinder und die Schule?
Gisbert Knierim: Die Kontinuität ist enorm wichtig. Die Kinder wissen, dass sie sich auf die Reittherapie verlassen können, das gibt ihnen Sicherheit. Auch für uns als Schule ist es wichtig, dass wir dieses Angebot – neben vielen anderen – langfristig in unseren Stundenplan integrieren können.

Ruhrwerk: Wie viele Kinder nehmen parallel an der Reittherapie teil?
Gisbert Knierim: Reittherapie findet bei uns immer montags und mittwochs statt. Wir nehmen immer so viele Kinder mit, wie in unseren Bus passen, das sind sieben Schüler. Den Bus fahren unsere Kolleginnen und Kollegen. Wir achten sehr darauf, dass immer eine weitere erwachsene Begleitperson dabei ist, um die Sicherheit zu gewährleisten.

Ruhrwerk: Wie viele Schülerinnen und Schüler besuchen derzeit die Förderschule an der Forellstraße?
Gisbert Knierim: Wir haben im Moment 162 Schülerinnen und Schüler. Die Klassenstärke liegt zwischen 11 und 16 Personen. Das bedeutet: Alle Klassen sind überbesetzt.

Ruhrwerk: Moderne Förderschulen stehen vor großen Herausforderungen, insbesondere aufgrund von Personalmangel. Wie wirkt sich das auf die Reittherapie aus?
Gisbert Knierim: Im Kollegium fehlen uns aktuell 17 Vollzeitstellen. Es ist also nicht immer einfach, aber wir versuchen, die Reittherapie trotzdem aufrechtzuerhalten, weil wir den großen Nutzen für die Kinder sehen. Wir mussten uns zwar etwas einschränken und können nicht mehr so viele Gruppen anbieten wie früher, aber wir tun alles, damit die Reittherapie weiterhin stattfinden kann.

Ruhrwerk: Sie haben erwähnt, dass über 80 Prozent der Schülerinnen und Schüler Ihrer Schule anspruchsberechtigt für das Bildungs- und Teilhabe-Paket sind. Inwiefern spielt Kinderarmut eine Rolle bei der Reittherapie?
Gisbert Knierim: Kinderarmut bedeutet auch immer Familienarmut. Viele Familien können sich solche Angebote nicht leisten oder haben nicht die Möglichkeit, ihre Kinder dorthin zu bringen. Deshalb ist es so wichtig, dass das Ruhrwerk die Reittherapie finanziert und wir als Schule den Transport organisieren.

Ruhrwerk: Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Reittherapie an der Förderschule an der Forellstraße?
Nadine Kaisereck: Ich wünsche mir, dass wir die Reittherapie noch lange fortsetzen können und dass noch viele Kinder davon profitieren. Die dreidimensionale Bewegung des Pferdes fördert gezielt das Körpergefühl und die Koordination. Die Kinder werfen spielerisch Bälle oder balancieren Eier, während sie auf dem Pferd sitzen. Das sind Übungen, die Spaß machen und gleichzeitig Kraft, Geschicklichkeit und Selbstvertrauen stärken. Die Reittherapie ist ein Geschenk für unsere Kinder, und ich bin dankbar, dass ich als Reittherapeutin dieses Angebot gemeinsam mit dem Verein Ruhrwerk auf so hohem Niveau anbieten darf.
Gisbert Knierim und Nicole Rödding: Wir hoffen, dass wir trotz aller Herausforderungen an der Reittherapie festhalten können und dass wir weiterhin die Unterstützung des Vereins Ruhrwerks haben. Die Reittherapie ist für unsere Kinder eine Chance, über sich hinauszuwachsen, ihre motorischen Fähigkeiten zu verbessern, ihr Selbstbewusstsein zu stärken und emotionale Blockaden zu lösen. Im Namen unserer Schülerschaft, der Lehrerschaft und der Eltern sagen wir ganz herzlichen Dank für die lange, gute und vertrauensvolle Unterstützung. Zugleich laden wir alle Spender und Sponsoren ein, uns an den Reittherapie-Tagen auf dem Reiterhof zu besuchen, eine Therapiestunde live mitzuerleben und zu sehen, wie diese Kinder mit Mut und Freude neue Herausforderungen meistern.

Bildzeile:
Im Gespräch mit Cordula Klinger-Bischof, Gründerin des Vereins Ruhrwerk (rechts), der die Reittherapie mit Hilfe privater Spenden ermöglicht, geben (von links) die Reittherapeutin Nadine Kaisereck, Schulleiter Gisbert Knierim und die Sonderpädagogin Nicole Rödding einen Einblick in die Arbeit mit den Kindern, die Herausforderungen moderner Förderschulen und die Momente, die die Reittherapie so besonders machen. Foto: Ruhrwerk

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