Seit 2010 fördert der Verein Ruhrwerk Reittherapie für Kinder und Jugendliche mit Beeinträchtigungen. Das Angebot verantworten zwei erfahrene Reittherapeutinnen aus Herne: Nadine Kaisereck (mehr Infos hier) und Julia Große-Lahr (Foto, 42).
Julia Große-Lahr wuchs in Herne auf dem elterlichen Hof auf, wo sie heute noch wohnt. Nach dem Abitur am Otto-Hahn-Gymnasium ließ sie sich 2006 an der Timmermeisterschule in Münster zur staatlich geprüften Physiotherapeutin ausbilden. Es folgten eine Kompaktausbildung zur Übungsleiterin B Rehabilitationssport (Profil Orthopädie) sowie Ausbildungen zur Kursleiterin Progressive Muskelrelaxation, als orthopädische Rückenschullehrerin und für Neuro-Atlethik Reiter-Kurs 1.
Julia Große-Lahr betreut auf dem elterlichen Hof schwerhörige und gehörlose Kinder der LWL-Schule am Leithenhaus, Bochum. Pro Woche nehmen bis zu sechs Kinder an der Therapie teil. Zur Reittherapie kommen auch Schülerinnen und Schüler der Max Wiethoff-Grundschule in Sodingen, hier zielt die Therapie auf Prävention von Verhaltensauffälligkeiten und ADHS ab.
Der Aufenthalt auf dem Bauernhof an der Sodinger Straße ermöglicht den Mädchen und Jungen wichtige ganzheitliche Erfahrungen – über den Umgang mit den Pferden hinaus. Mal dürfen sie auf dem Traktor mitfahren, mal die Ziegen streicheln. Mit der Physiotherapeutin und Reitlehrerin Julia Große-Lahr sprach Ruhrwerk-Vorstand Iris Stiebling über die Chancen und Möglichkeiten einer tiergestützten Pädagogik?
Was versteht man unter der tiergestützten Pädagogik?
Die tiergestützte Pädagogik, also die Arbeit mit dem Medium Pferd und das Reiten an sich, sprechen den Menschen ganzheitlich und über alle Sinneskanäle an. Es fordert und fördert den Menschen körperlich, emotional, geistig und sozial.
Welche Effekte hat die Förderung mit dem Pferd?
Pferde sprechen unsere Emotionen in ganz besonderer Weise an. Sie tragen den Menschen auf ihrem Rücken und schicken dreidimensionale Impulse durch den Körper. Dadurch tritt der „Reiter“ in einen Bewegungsdialog mit dem Pferd. Es erfolgt eine systematische Aktivierung des Muskelsystems und eine Anpassung des gesamten Organismus. Beim Reiten entsteht in der Regel ein subjektives Gefühl des Wohlbefindens, eine Stärkung der eigenen Kompetenzerwartung und eine positive Entwicklung des Selbst- und Körperkonzeptes, die dabei hilft, eine gute Beziehung zum eigenen Körper aufzubauen. Reiten fördert die Erfahrung von sozialen Ressourcen, um sich in der Gruppe wohlzufühlen und mehr Sicherheit im Umgang mit anderen Menschen zu bekommen.
Für welche Kinder ist diese Therapie besonders geeignet?
Generell ist der Kontakt zu einem Pferd für jeden Menschen (der keine Pferdehaarallergie hat) eine Bereicherung. Besonders bei Kindern mit sozial-emotionalen Schwierigkeiten dient das Tier als sozialer „Katalysator“. Aggression wird reduziert, Ängste verringern sich, es wird mehr gelächelt, und es entsteht Vertrauen. Kinder, die Ablehnung innerhalb ihrer sozialen Gruppe erfahren haben oder durch körperliche oder geistige Beeinträchtigungen benachteiligt sind, erleben (vielleicht zum ersten Mal), keinerlei Bewertung oder Erwartungshaltung von Seiten des Tieres. Sie sind gut, so wie sie sind. Die klare nonverbale Art zu kommunizieren, erschafft eine Verbindung, die wir Menschen untereinander brauchen, aber leider oft verloren haben.
Liebe Julia Große-Lahr, wir bedanken uns für die Informationen.