Als er ein Kind war, besuchte der Familienunternehmer Dr. Ludger Kleyboldt mit seinem Bruder Henrich die Grundschule an der Schulstraße in Herne. Heute ermöglicht der vierfache Familienvater und geschäftsführender Gesellschafter des NWB Verlags über seine „Für Euch“-Stiftung an seiner ehemaligen Schule das von dem Verein Ruhrwerk mitgetragene Bildungsprojekt „Lernen neu denken“. Mit der Ruhrwerk-Gründerin Cordula Klinger-Bischof sprachen Dr. Ludger Kleyboldt und die Stiftungskoordinatorin Nina Voß über die Bedeutung von Projektarbeit für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen, insbesondere in Bezug auf Teilhabe, Bildungsgerechtigkeit und Zukunftsschancen.
Ruhrwerk: Herr Dr. Kleyboldt, über die von Ihnen und Ihrer Frau gegründete „Für Euch“-Stiftung ermöglichen Sie die Einführung des Projekts „Lernen neu denken“ an der heutigen Galileo-Grundschule, die Sie als Kind selbst besucht haben. Wie kam es dazu?
Dr. Ludger Kleyboldt: Ich erinnere mich gern an meine eigene Schulzeit in der Grundschule an der Schulstraße. Schon Ende der 1970er Jahre hatte die Schule vermutlich bereits die Probleme, die heute unter dem Begriff „Brennpunktschule“ zusammengefasst werden. Heute wissen wir, dass in Herne-Mitte fast jedes zweite Kind von Transferleistungen abhängig ist. Die Armut der Kinder und Familien ist groß. Da wird unsere Unterstützung dringend gebraucht, ganz besonders im Bereich Bildung.
Ruhrwerk: Welche Ziele verfolgt die „Für Euch“-Stiftung?
Dr. Ludger Kleyboldt: Als wir richtig gut im Leben angekommen waren, haben meine Frau und ich die Stiftung im Jahr 2011 gegründet. Drei von heute vier Kindern waren damals schon auf der Welt. Das war ein guter Zeitpunkt, um zu überlegen: Wie können wir etwas von dem Glück zurückgeben, das wir erleben dürfen? Wir haben uns für eine kleine Stiftung entschieden. Seitdem gab es viele tolle Aktionen, die uns große Freude gemacht haben, weil wir mit Kindern und Jugendlichen in Kontakt kamen und etwas bewegen konnten.
Nina Voß: Der Hauptwirkungskreis der Stiftung erstreckt sich auf das Ruhrgebiet und besonders auf die Region in und um Herne. Unser Ziel ist es, „Handwerkszeug für ein stabiles Leben“ zu vermitteln. Im Zentrum der Arbeit steht die Förderung von sozial benachteiligten Kindern und Jugendlichen, die wir so früh wie möglich erreichen möchten. Deshalb hat sich die Stiftung für die Etablierung des Projekts „Lernen neu denken“ jahrgangsübergreifend in der dritten und vierten Klasse der Galileo-Grundschule entschieden.
Ruhrwerk: Welche Aspekte des Projekts „Lernen neu denken“ haben Sie besonders interessiert?
Dr. Ludger Kleyboldt: Mit der Stiftung möchten wir die Erziehung und Entwicklung von Kindern und Jugendlichen hin zu selbständigen, stabilen und nachhaltig agierenden Menschen unterstützen. Die Entwicklung eines (früh-)kindlichen Urvertrauens in Menschen und Umwelt halten wir für elementar wichtig. In der Struktur des Projekts „Lernen neu denken“ finden wir unsere Ziele wieder – die Selbständigkeit, die Nachhaltigkeit, das Vertrauen in die Umwelt. Die Kinder sind regelmäßig im Wald unterwegs und lernen, auf sich und die Umwelt Acht zu geben. Sie kochen gemeinsam und beschäftigen sich auf diese Weise mit guter Ernährung. Durch die Aufteilung entstehen kleinere Gruppen, in denen intensiver und kindgerechter gelernt werden kann.
Ruhrwerk: Dank der „Für Euch-Stiftung“ konnte „Lernen neu denken“ an der mittlerweile dritten Grundschule in Herne etabliert werden. Was hat Sie bewogen, Ruhrwerk als Partner bei diesem Projekt zu unterstützen?
Dr. Ludger Kleyboldt: Meine Frau und ich kennen und begleiten den Verein Ruhrwerk seit seinen Anfängen. Die Ausrichtung unserer Stiftung und die Ziele – das haben wir über die Jahre intensiv kennenlernen dürfen – sind so gut wie deckungsgleich. Als wir von dem Projekt „Lernen neu denken“ erfahren haben, konnten wir uns gut vorstellen, uns finanziell einzubringen. Hinzu kommt, dass unsere Stiftungsaktivitäten während der Corona-Pandemie deutlich geschränkt werden mussten. Außerdem sind wir eine kleine Stiftung, die Ressourcen für eigene Aktivitäten sind begrenzt. Weil wir wissen, dass Ruhrwerk das Projekt mit starken Partnern transparent organisiert und zuverlässig begleitet, haben wir uns entschlossen, „Lernen neu denken“ im Schuljahr 2024/2025 einer dritten und einer vierten Klasse jahrgangsübergreifend an der Galileo-Grundschule auf den Weg zu bringen. Für diese Chance sind wir dankbar, denn allein könnten wir ein solches Projekt zusätzlich zu unseren eigenen Aktivitäten gar nicht stemmen.
Ruhrwerk: Welche Aktivitäten sind das?
Nina Voß: Mit dem Verein Deutsche Umwelt-Aktion bieten wir seit vielen Jahren Zweitklässlern in Herner Grundschulen eine Doppelstunde zum Thema Papierschöpfen an. Das macht neben dem nachhaltigen Lerneffekt immer Riesenspaß. Anlässlich des Jubiläums „75 Jahre NWB“ haben wir vor anderthalb Jahren damit begonnen, eine Kooperation mit den umliegenden Schulen Pestalozzi-Gymnasium, Haranni-Gymnasium und Realschule Strünkede aufzubauen. Das Projekt startete mit Schülerinnen und Schülern der 6. Klassen. Wir treffen die Kinder – es sind etwa 15 – regelmäßig einmal im Monat. Sie lernen den NWB Verlag z.B. bei einer Verlagsrallye kennen und bauen mit der Zeit eine gute Vertrauensbasis zu uns auf. Da lernen die Schüler zum Beispiel, eine Zeitschrift richtig zu lesen. Wir fragen zum Beispiel: Was steht eigentlich in einem Impressum? Wenn sie von Gebäude zu Gebäude gehen und die unterschiedlichsten Menschen an ihren Arbeitsplätzen kennenlernen, gibt es richtige Aha-Erlebnisse – und zwischendrin frische Waffeln. Parallel dazu machen wir ihnen klassische Freizeitangebote. Wir gehen in den Gysenberg-Park, spielen Minigolf, probieren uns beim Bogenschießen aus, gucken uns ein Eishockeyspiel an, erkunden das Archäologie-Museum Herne oder das Planetarium in Bochum. Mit Blick auf das Ende der Schulzeit ist es unser Ziel, bei der Berufsorientierung und bei der Bewerbung zu helfen – nach dem Motto: „Kein Abschluss ohne Anschluss!“ Das Ganze ist keine Einbahnstraße. Auch wir lernen bei diesem Projekt viel dazu. Zum Beispiel, dass viele Eltern gar nicht in der Lage sind, ihre Söhne und Töchter auf dem Weg in die Arbeitswelt anzuleiten, zu stärken und zu stützen. Mittlerweile ist es so, dass sich die Teilnehmenden auch außerhalb der festen Termine treffen. Sie freunden sich an, öffnen sich. Darüber freuen wir uns besonders.
Dr. Ludger Kleyboldt: Hervorheben möchte ich auch die Verbindung zum Familiencircus-Projekt Schnick-Schnack, die schon seit fast 20 Jahren besteht. Natürlich ist es wichtig, dass wir hier finanzielle Unterstützung leisten. Viel wichtiger aber ist, dass sich unsere Mitarbeitenden mit Herz und Hand in diese Kooperation einbringen, zum Beispiel, wenn Circus Schnick-Schnack zu Fronleichnam Zeltwoche hat. Dann sind wir dabei – beim Catering, beim Schminken, beim Aufbau. Der Zuspruch aus unserem Hause ist bemerkenswert, das Interesse querbeet. Wir wollen zeigen: Ehrenamtliches Engagement tut gut. Es ist ein win-win für alle Beteiligten. Wichtig ist uns aber, dass dieses Engagement stets auf freiwilliger Basis geschieht.
Ruhrwerk: Zum Stiftungszweck gehört, die Mittelverwendung aktiv mitzugestalten und sich selbst für die Zweckerreichung zu engagieren. Gilt das auch für „Lernen neu denken“?
Dr. Ludger Kleyboldt: Auf jeden Fall. Es gibt so viele Talente unter den Schülerinnen und Schülern. Leider lassen sie sich in diesen großen Klassen nur schwer entdecken. „Lernen neu denken“ eröffnet in diesem Punkt völlig neue Möglichkeiten. Wir freuen uns darauf, das Projekt zu begleiten und mit den Mitarbeitenden die Schule zu besuchen. Man kann mit durch den Wald gehen oder beim Kochen dabei sein. Was für uns und unsere Kinder oft so selbstverständlich scheint, ist für andere Familien unbekannt oder unerschwinglich. Das Projekt gibt uns die Chance, diese Lebenswirklichkeiten kennen- und besser verstehen zu lernen. Genau deshalb machen wir das.
Sehr geehrter Herr Dr. Kleyboldt, sehr geehrte Frau Voß, wir bedanken uns für das Gespräch.
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Heute nicht auf Kosten von Morgen, hier nicht auf Kosten von Anderswo und grundsätzlich nicht auf Kosten von Anderen: Unter dem Leitsatz des NWB Verlags trafen sich Nina Voß (NWB-Kommunikation und Für Euch-Stiftung), die Ruhrwerk-Vorsitzende Cordula Klinger-Bischof und Dr. Ludger Kleyboldt, geschäftsführender Gesellschafter des NWB Verlags, zum Gespräch. Foto: Ruhrwerk