Cenntro Automotive Europe ist nächster Ruhrwerk-Gastgeber: „Herne ist für uns der beste Standort“

Vom Lastenfahrrad bis zum Lkw: Wie Cenntro Automotive Europe vom Ruhrgebiet aus den Markt der elektrischen Nutzfahrzeuge aufrollt.

#DrivingTheZeroMission! Unter diesem Slogan schickt sich Cenntro Automotive Europe an, von Herne aus den Markt für elektrische Nutzfahrzeuge in Europa, Afrika und im Mittleren Osten zu erobern. Der Sitz des deutschen Unternehmens, das bis Ende März 2022 noch als Tropos Motors Europe GmbH firmierte, befindet sich auf geschichtsträchtigem Boden –  in unmittelbarer Nähe zur ehemaligen Heitkamp-Niederlassung am Heitkampsfeld 20. In der großen Cenntro-Fertigungshalle wird der Verein Ruhrwerk am 09. September die nächste „Netzwerk hilft!“-Gala ausrichten. Im Konferenzraum mit Blick auf die unablässig rangierenden Güterwagen des Güterbahnhofs Wanne-Eickel sprachen Kerstin Zulechner (Foto, links) und Susanne Schübel für Ruhrwerk mit Cenntro-Geschäftsführer Gregory Hancke.

Ruhrwerk: Herr Hancke, die nächste Ruhrwerk-Gala wird im September in Ihrer Fertigungshalle stattfinden. Was verbindet Sie mit unserem Verein?

Gregory Hancke: Wenn Elektromobilität in unserem Land eine Chance haben soll, dann brauchen wir unter anderem auch Fachkräfte mit guter Ausbildung – Hochschulabsolventen genauso wie Mechatroniker, Kaufleute für Büromanagement und viele andere Gewerke. Stephan Ohletz, mein Mit-Geschäftsführer, hat mich auf die Aktivitäten von Ruhrwerk aufmerksam gemacht. Was ich von ihm erfahren habe, hat mich beeindruckt. Der Verein Ruhrwerk setzt sich in seinen Projekten dafür ein, dass Kinder und Jugendliche in dieser Stadt bei der Bildung den Anschluss nicht verlieren und einen guten Platz in dieser Gesellschaft finden. Hier sehen wir viele Gemeinsamkeiten und freuen uns darauf, Ruhrwerk an unserem Standort willkommen zu heißen.

RW: Zur Ruhrwerk-Gala kommen viele Unternehmer. Nicht wenige von ihnen werden vermutlich noch gar nicht wissen, wer Cenntro ist und wofür das Unternehmen steht.

Gregory Hancke: Im Rahmen eines Strategieprojektes wollte das Familienunternehmen Mosolf, europaweit einer der Marktführer im Bereich Automobillogistik und Services im Jahr 2018 diversifizieren. Dabei stieß man auf die Klasse der Leichtkraftfahrzeuge, sogenannte Light Commercial Vehicles, eine Klasse, die von den großen Herstellern wie z.B. Mercedes, Ford oder Stellantis nicht bedient wird. Da sich Mosolf schon sehr lange mit Fragen der Nachhaltigkeit befasste, lag der Fokus von Anfang an auf batterie-elektrisch betriebenen Fahrzeugen. Durch unser Netzwerk stießen wir auf die Firma Tropos und den Tropos Able. Das passte gut, weil Entwicklung und Fertigung für uns nicht in Frage kamen, wohl aber die Montage, Individualisierung, Marketing, Sales und After Sales. Wir haben dann die Tropos Motors Europe gegründet, eine 100prozentige Tochter von Mosolf. Diese wiederum hat von Tropos USA Montagesets gekauft, auch semi-knocked-down sets genannt, und begonnen, Montage, Individualisierung und Vertrieb aufzubauen.

RW: Wie kam das Unternehmen nach Herne?

GH: Wir haben uns nach dem richtigen Standort umgeschaut. Nach Deutschland zu gehen, war eine klare Herausforderung mit Blick auf die Kostenstrukturen. Die Arbeitskosten, Logistik- und Infrastrukturkosten etc. sind höher als in anderen europäischen Ländern. Trotzdem haben wir uns für Deutschland entschieden, unter anderem weil wir die Nähe zum Hauptmarkt als wichtig empfunden haben. Als schwäbisches Unternehmen haben wir uns damals natürlich zuerst in unserem heimischen Umfeld umgeschaut, in Kirchheim/Teck und Stuttgart. Doch da waren die Möglichkeiten sehr limitiert. Dann haben wir uns in Deutschland umgeschaut und die wichtigsten Kriterien definiert: Wo bekommen wir gute Leute, am besten mit „automotive background“. Von den Löhnen sollte es im Rahmen sein. Wir brauchen eine entsprechende Infrastruktur vor Ort. Wir wollen in der Nähe der Hauptmärkte sein. So kamen wir auf Nordrhein-Westfalen, auch als einen der größten Absatzmärkte, mit mehr als 20 Millionen Menschen in der Metropolregion Ruhrgebiet. Es gibt Universitäten, die sich mit dem Thema auseinandersetzen, die RWTH Aachen oder die Ruhr-Universität Bochum. Wir haben alle Puzzleteile zusammengefügt und uns für diese Region entschieden mit der Überzeugung: Das ist für uns der beste Standort.


RW: Wie wurden Sie in Herne aufgenommen?
GH: Als wir 2019 unseren Plan vortrugen, in Herne ansässig werden zu wollen, hat man uns mit offenen Armen empfangen und sich riesig gefreut. OB Dr. Frank Dudda hat das Thema sofort zur Chefsache gemacht und uns mit großem Engagement begleitet. Man hat schnell gespürt: Wir waren gekommen, um zu bleiben. Alles lief nach Plan. Wir hatten für 2019 alles vorbereitet und wollten groß eröffnen. Und dann kam Covid.

RW: Wie sind Sie mit dieser Herausforderung umgegangen?

GH: Wir haben die Zeit genutzt und Stück für Stück unser Vertriebsnetz aufgebaut. Und dann haben wir gemerkt, dass wir mit nur einem Produkt – dem Tropos Able – allein nicht überleben können. Wir brauchten noch mehr Produkte. So kam es zur Beteiligung von Cenntro an Tropos Motors Europe. Dadurch kamen der Metro, drei Logistar Modelle , der TeeMak und das Antric Cargobike hinzu. Es gibt heute keinen Hersteller von batteriebetriebenen Nutzfahrzeugen mit einer vergleichbaren Produktvarianz wie Cenntro. Mittlerweile bieten wir acht Modelle an, und es wird in Zukunft noch mehr geben. Dann kann Cenntro dem Kunden das gesamte Portfolio anbieten: vom Cargobike bis hin zum 40-Tonner-Lkw mit Wasserstoffantrieb. 2022 hat Mosolf 65 Prozent der Anteile an Cenntro verkauft und das Unternehmen wurde umbenannt in Cenntro Automotive Europe, im Februar 2023 wurden dann die restlichen 35 Prozent an Cenntro verkauft.

RW: Das ist eine unglaublich rasante Entwicklung. Wo steht das Unternehmen Cenntro heute?

GH: Die rasante Entwicklung war nur möglich, weil es schon Basisplattformen gab. Die Entwicklung neuer Fahrzeuge wäre niemals so schnell gelungen. Cenntro hat eine klare Philosophie. Der Fokus liegt auf Gestaltung des Produktportfolio, After Sales, Parts Business, Marketing und Sales, Entwicklung und Integration des elektrischen Antriebs bis hin zur Produktion von Batterien und Ladeinfrastruktur und dem wichtigen Thema Second-Life der Batterien und deren Recycling. Cenntro entwickelt jedoch keine Komplettfahrzeuge, – mit drei Ausnahmen. Diese Ausnahmen werden hier in Herne gebaut: Der Metro ist eine eigene Entwicklung, der TeeMak und der Antric, der von einem Start-up aus Bochum entwickelt wurde, an dem Cenntro zu 25 Prozent beteiligt ist. Alle anderen Fahrzeuge kommen als Fertigfahrzeuge von großen Produktionspartnern aus China. Dabei handelt es sich um ausgereifte Produkte, die bereits seit Jahren verkauft werden. Die Fahrzeuge werden dann „cenntronized“ und mit kundenspezifischen Aufbauten/Ausstattungen versehen. Cenntro hat ein sehr breites Produktspektrum, und das wird immer größer. So können wir jeden Transportbedarf der Kunden abdecken. So gut und umfassend wie Cenntro kann das heute kein anderer Anbieter aus einer Hand liefern! Damit sind wir einzigartig.

RW: Wie sehen Sie die Elektromobilität mit 100 Prozent elektrisch in Bezug auf Nutzfahrzeuge im Ruhrgebiet und allgemein?

GH: Zur Elektromobilität bei Light Commercial Vehicles muss man heute keine Angst mehr haben. Im urbanen Umfeld bzw. der Kurz- und Mittelstrecke braucht es heute nahezu keine Verbrenner mehr. Die Skepsis gegenüber Elektro ist zwar noch da, aber sie nimmt stetig ab, je mehr man mit ihr in Berührung kommt. Ich bin davon überzeugt, dass wir in den kommenden zehn Jahren noch erstaunliches erreichen werden. Hinzu kommt, dass die Städte beim Verkehr zunehmend restriktiver entscheiden, um weiter wachsen zu können, um Platz für Wohnraum zu schaffen und gleichzeitig die Wohnqualität zu verbessern. Die Innenstadt-Zugänge für Verbrenner werden begrenzt, die Auflagen für Lärm, Abgase und Flächenverbrauch – zu Recht – immer weiter verschärft.

RW: Wo sieht Cenntro Wachstumsmöglichkeiten?
GH:
Gerade Leichtnutzfahrzeuge wir der Metro oder das Antric Cargobike als spannender Vertreter in der Mikromobilität, bieten im urbanen Umfeld ein unglaubliches Potenzial für Logistik, Facility Management oder auch die städtischen Bauhöfe. Wir sind der Meinung, dass eine „one size fits all“ Lösung nicht mehr nachhaltig ist. Die heutigen vielfältigen Mobilitätslösungen und -formen sind enorm. Der Kunde kann sich heute quasi seine perfekte Fahrzeuglösung aussuchen. Vor einigen Jahren noch undenkbar und jetzt Realität. Deswegen haben wir ein sehr breites 100 % elektrisches Produktportfolio. Daher auch die Entscheidung, mit dem Antric One Cargobike unser Mobilitätsangebot nach unten abzurunden. Das Design und die Mobilität des Antric sind eine einzigartige Ergänzung zu Cenntros Produktlinie elektrisch angetriebener Nutzfahrzeuge.

RW: Wie müssen wir uns das Antric vorstellen?
GH: Beim Antric One handelt es sich um ein Lastenfahrrad, genauer ein Heavy Cargobike mit elektrischer Unterstützung wie bei einem ePedelec.  Eine innovative Form des E-Transports, die für eine Vielzahl von Anwendungen geeignet ist. Obwohl der Antric mit seinen vier Rädern eher wie ein kleines Lastenauto konzipiert ist, braucht man dafür keinen Führerschein. Es ist einfach zu bedienen und einfach zu beladen. Das modular aufgebaute Cargobike kann Fahrradwege nutzen, findet überall Platz und ist äußerst robust. Die Batterie gestützte Reichweite beträgt etwa 50 Kilometer und ist mit zwei wechselbaren Akkus ausgestattet. Für größere Strecken, kommen dann der Metro oder ein Logistar in Frage. Aber in einer so dicht bebauten Metropole wie dem Ruhrgebiet bietet der Antric nur Vorteile. Mitte 2022 hat Antric mit der Auslieferung begonnen, aktuell sind rund 40 Antrics unterwegs – bei z.B. Paketdiensten, Blumenhändlern, Hotelanlagen, Lebensmittelläden oder auch Getränkehandlungen. Die Rückmeldungen stimmen uns überaus positiv, die Kunden sind begeistert. Der Einstiegspreis liegt bei rund 18.000 Euro oder man entscheidet sich für ein Leasing.

RW: Wie kam es zur Entwicklung des Antric?
GH: Der Anstoß zur Zusammenarbeit zwischen Cenntro und Antric kam im Januar 2022 über Prof. Dr.-Ing. Friedbert Pautzke vom Institut für Elektromobilität an der Hochschule Bochum, der unsere Ansiedlung von Anfang an mit begleitet hat. Er stellte mir eines Tages zwei junge Gründer vor, die bei ihm studiert und in ihren Startup Antric GmbH ein höchst innovatives Cargobike entwickelt hatten. Wir erkannten schnell das große Potenzial des Produkts. So konnten wir unser Mutter-Unternehmen, die Cenntro Electric Group Limited, und den CEO Peter Wang überzeugen, mit einer Minderheitsbeteiligung von 25 Prozent bei der Antric GmbH einzusteigen. Damit verbunden ist die Fertigung des Antric am Standort Herne in einer zusätzlichen Halle neben dem Metro Werk und die Vermarktung durch Cenntro bei Kunden in Nordamerika, Europa und Asien.

CENNTRO AUTOMOTIVE EUROPE GMBH

Die Cenntro Automotive Europe GmbH ist ein deutsches Unternehmen mit rund 50 Mitarbeitenden und Sitz in Herne, Nordrhein-Westfalen. Bis Ende März 2022 firmierte die GmbH als TROPOS MOTORS EUROPE GmbH. Das Unternehmen entstand aus der Zusammenarbeit des börsennotierten US-amerikanischen E-Nutzfahrzeug-Produzenten und -Verkäufers Cenntro Electric Group mit dem Technik- und Logistikdienstleister MOSOLF Gruppe aus Kirchheim/Teck, Baden-Württemberg. Es fertigt elektrische Nutzfahrzeuge in unterschiedlichen Klassen und für verschiedenste Anwendungsgebiete für die Märkte Europa, Afrika und Mittlerer Osten (EMEA).

2019 gründete die MOSOLF Group die Firma Tropos Motors Europe GmbH, um in Europa eine neue Klasse kompakter elektrischer Nutzfahrzeuge für unterschiedlichste Einsatzzwecke zu fertigen und zu vertreiben.

Im April 2020 wurde die Produktion in Herne, Nordrhein-Westfalen, Deutschland, aufgenommen. Der kompakte Elektrotransporter (damals noch unter dem Namen Able) wird über ein Händlernetz in Europa und im Direktvertrieb vermarktet. Den Service der elektrischen Nutzfahrzeuge übernehmen die Händler und Flying Doctors.

Im März 2022 erwarb die Cenntro Electric Group 65% an Tropos Motors Europe (MOSOLF Group), um die europäischen Montagekapazitäten und Vertriebsnetze in der EMEA-Region zu erweitern und ein strategisches Kundennetzwerk in Europa aufzubauen. Tropos Motors Europe wurde anschließend in Cenntro Automotive Europe GmbH mit Sitz in Herne, Deutschland, umbenannt.

Im Dezember 2022 erwarb die Cenntro Electric Group eine Beteiligung von 25 Prozent an dem Cargobike Hersteller Antric GmbH Bochum. Die Fertigung und die Vermarktung des Lastenfahrrads wird von der Cenntro Automotive Europe GmbH übernommen.




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